Arbeitslosigkeit

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Arbeitslosigkeit, respektive die Arbeitslosenrate (oft wird auch der Begriff Arbeitslosenquote verwendet), ist eine der wichtigsten Messgrössen einer Volkswirtschaft. Man unterscheidet zwischen konjunktureller, friktioneller, struktureller und saisonaler Arbeitslosigkeit. Die sogenannte Sockelarbeitslosigkeit setzt sich aus der strukturellen und der friktionellen Arbeitslosigkeit zusammen.

Verschiedene Ausprägungen der Arbeitslosigkeit

Aus persönlicher Sicht einer von Arbeitslosigkeit betroffenen Person mögen die oben aufgeführten unterschiedlichen Ausprägungen von Arbeitslosigkeit zynisch und unnötig wirken – aus wirtschaftlicher und wirtschaftspolitischer Sicht ist die Unterscheidung allerdings notwendig und sinnvoll, da verschiedene Arten der Arbeitslosigkeit mit unterschiedlichen Massnahmen bekämpft werden müssen. Auch wenn einzelne Personen nicht immer zweifelsfrei einer Kategorie zugeordnet werden können, sind in der Summe doch oft sinnvolle Aussagen möglich.

Konjunkturelle Arbeitslosigkeit

Die konjunkturelle Arbeitslosigkeit entspricht wohl am ehesten jenem Bild von schwankenden Arbeitslosenraten, welches oft die Betrachtung der Arbeitslosigkeit allgemein prägt. Wie der Name Suggeriert, schwankt die Anzahl der von konjunktureller Arbeitslosigkeit betroffenen Personen im verlauf eines Konjunkturzyklus. Dies ist die Art von Arbeitslosigkeit, welche sich mit konventioneller Geld- und Wirtschaftspolitischen Massnahmen am einfachsten bekämpfen lässt. Personen, welche ihren Job „nur“ wegen einer rückgängigen Wirtschaftsleistung verloren haben, werden wahrscheinlich wieder eine Arbeit finden, sobald sich die Wirtschaft erholt – vorausgesetzt, es dauert nicht zu lange, bis dies eintritt.

Friktionelle Arbeitslosigkeit

Friktionelle Arbeitslosigkeit beschreibt den einfachen Umstand, dass viele Personen bei wechsel von einer Stelle zu einer anderen für eine kurze Zeit „arbeitslos“ sind. Diese Personen werden diese wenigen Wochen bis Monate in der Regel nicht als Arbeitslosigkeit empfinden, sondern viel eher als Freizeit. Auch wer einen Job kündet, ohne schon einen neuen in Aussicht zu haben, dann aber innert weniger Wochen oder Monate einen neuen findet, gilt als friktionell arbeitslos. Diese Art der Arbeitslosigkeit lässt sich mit konventioneller Geld- oder Wirtschaftspolitik nicht bekämpfen. Sie muss aber auch gar nicht bekämpft werden – ganz im Gegenteil ist es für eine Wirtschaft als ganzes förderlich, wenn einige Job-Wechsel stattfinden, da Humankapital so besser erweitert werden kann. Die dabei anfallende friktionelle Arbeitslosigkeit ist kein Problem. Der Anteil der friktionellen Arbeitslosigkeit an der Gesamtarbeitslosigkeit hängt von zwei Faktoren ab: Der Häufigkeit, mit welcher ein durchschnittlicher Arbeitnehmer seinen Job wechselt und der Zeit, welche er für diesen Wechsel benötigt. Dies führt zu grösseren Unterschieden zwischen verschiedenen Ländern: Während es beispielsweise in den USA nicht ungewöhnlich ist, denn Arbeitgeber von Zeit zu Zeit zu wechseln, wird ein Arbeitnehmer in Japan in der Regel sein gesamtes Erwerbsleben beim selben Arbeitgeber verbringen. Die Zeit zwischen den Jobs, wird beispielsweise von der Effizient der Jobsuche beeinflusst – Internetplattformen, welche Arbeitssuchende und Arbeitgeber zusammenführen dürften zu einem Effizienzgewinn bei der Job-Suche geführt haben.

Strukturelle Arbeitslosigkeit

Strukturelle Arbeitslosigkeit entsteht, wenn gewisse Arbeitnehmer – unabhängig von der konjunkturellen Lage – einfach nicht mehr benötig werden, weil die von ihnen zuvor verrichteten Arbeiten nun nicht mehr nötig sind oder neu von einer Maschine verrichtet werden. Häufig wird strukturelle Arbeitslosigkeit von einem technologischen Wandel ausgelöst. Das müssen keine grossen Umwälznugen sein, welche gerne als „industrielle Revolutionen“ bezeichnet werden. Häufig sind es kleinere Neuerungen, welche nur gewisse Branchen betreffen und sich über Jahre oder Jahrzehnte durchsetzen. Das Problem der von dieser Art der Arbeitslosigkeit betroffenen Personen ist, dass ihre Qualifikationen au dem Arbeitsmarkt einfach nicht mehr gefragt sind – da hilft auch kein Konjunkturaufschwung. Dementsprechend hilft konventionelle Geld- oder Wirtschaftspolitik auch hier nicht. Allerdings ist es möglich, von struktureller Arbeitslosigkeit betroffene Personen durch Weiterbildungs- und Umschulungsangebote wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Saisonale Arbeitslosigkeit

Saisonale Arbeitslosigkeit tritt in gewissen Branchen auf, welche saisonalen Schwankungen unterliegen. Eisverkäufer werden im Winter relativ wenig zu tun haben. Aber auch wirtschaftlich wesentlich relevantere Branchen (Bau, Tourismus, Automobilindustrie, usw.) unterliegen mehr oder weniger heftigen saisonalen Schwankungen. Werden diese Schwankungen dadurch aufgefangen, dass saisonbedingt Personen angestellt und wieder entlassen werden, wo spricht man von saisonaler Arbeitslosigkeit. Häufig haben davon Betroffene jedoch ohnehin einen Job um die Saisonalität auszugleichen: Wer im Sommer Eis verkauft, kann im Winter z.B. Schlittschuhe vermieten. Auch wenn nicht immer für jede einzelne Person eine befriedigende Lösung gefunden werden kann, so ist saisonale Arbeitslosigkeit aus gesamtwirtschaftlicher Sicht nur in Ländern oder Regionen problematisch, welche stark von einer saisonal schwankenden Industrie abhängig sind.

Sockelarbeitslosigkeit

Die Sockelarbeitslosigkeit wird häufig als Summe von friktioneller und struktureller Arbeitslosigkeit beschrieben. Damit soll ausgedrückt werden, dass weder saisonale noch konjunkturelle Einflüsse darauf wirken. Dies ist wichtig, um zu verstehen, weshalb Notenbanken mit stimulierenden Massnahmen aufhören, lange bevor die Arbeitslosenrate Werte nahe 0% erreicht. Weder friktionelle noch strukturelle Arbeitslosigkeit lassen sich mit Geldpolitischen Massnahmen bekämpfen – also macht es für eine Notenbank auch keinen Sinn, das zu versuchen und dafür eine höhere Inflation in Kauf zu nehmen. Dasselbe gilt prinzipiell für die Wirtschaftspolitik einer Regierung, allerdings steht hier dieser Einsicht häufig der Wille im Weg, die Arbeitslosenraten noch weiter zu senken.
Nicht zu vergessen gilt es, dass die Sockelarbeitslosigkeit sich nicht präzise Messen lässt. Auch wenn die Formel „Sockelarbeitslosigketi = friktionelle + strukturelle Arbeitslosigkeit“ das suggeriert. Auch diese beiden Bestandteile lassen sich nämlich nicht präzise Messen. Somit ist es nur zu verständlich, dass Geld- und Wirtschaftspolitik gelegentlich über das Ziel hinausschiessen, im guten Willen, eine vermeintlich konjunkturelle Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Normalerweise wird versucht, über eine Beobachtung der Entwicklung der Durchschnittslöhne festzustellen, ob die Sockelarbeitslosigkeit bereits erreicht ist: Steigen die Löhne neu angestellter Mitarbeiter – und somit die Durchschnittslöhne – so geht man davon aus, dass trotz einer Arbeitslosenrate grösser als 0% ein Mangel an passenden Arbeitskräften herrscht und daher Lohndruck entsteht. Dies wird dann so gedeutet, dass nur noch „nicht passende“ Arbeitskräfte verfügbar sind, also Personen, welche nicht die notwendige Ausbildung / Erfahrung mitbringen (strukturelle Arbeitslosigkeit) oder ohnehin schon einen neune Job in Aussicht haben (friktionelle Arbeitslosigkeit).
Gerne wird auch behauptet, Sockelarbeitslosigkeit bestehe nur aus Personen, welche einfach nicht arbeiten wollen. Auch wenn es solche Fälle zweifelsohne auch gibt, ist diese Definition wie oben gezeigt nicht zutreffend.

Messung der Arbeitslosigkeit

Die Messung der Arbeitslosigkeit, respektive die Erhebung der Arbeitslosenquote ist keine triviale Aufgabe. Dementsprechend kommen verschiedene Methoden zu verschiedenen Resultaten. Die International Labour Organization (ILO) hat Richtlinien entworfen, welche international einheitliche Statistiken der Arbeitsmärkte ermöglichen sollen. Viele Länder haben diese Richtlinien übernommen, dennoch ist die Messung nicht einheitlich.
Im Grunde gilt das Prinzip „Arbeitslos ist, wer keinen bezahlten Job hat und aktiv nach einem sucht“. Somit ist sichergestellt, dass beispielsweise Studierende oder Personen welche sich um den Haushalt kümmern nicht unter die Arbeitslosen fallen. Dass diese Personen in die Statistik Eingang finden, bedingt aber, dass sich sich bei einer staatlichen Stelle (RAV, Arbeitslosenkassen) melden. Wer das nicht tut, wird von dieser Statistik nicht erfasst. Dies betrifft häufig die friktionelle Arbeitslosigkeit, welche dadurch unterschätzt wird. Aber auch Personen, welche nach Ablauf der Bezugsdauer von Arbeitslosenunterstützung weiterhin keinen Job haben, fallen aus der Statistik, falls Sie nicht weiterhin gemeldet bleiben.
Eine weitere Schwierigkeit bei der Erhebung der Statistik stellen sogenannt „Geringbeschäftigte“ dar. Hier handelt es sich um Personen, welche zwar einer bezahlten Tätigkeit nachgehen, aber nur in einem geringen Arbeitspensum, beispielsweise 20%, und daher weiterhin einen Job suchen. Gerne wird hier auch von Unterbeschäftigung gesprochen. Nach ILO-Regeln gelten diese Personen nicht als Arbeitslos – beispielsweise in der deutschen Statistik werden sie aber doch mit berücksichtigt, was zu Differenzen von einigen Prozentpunkten zwischen den Angaben der Bundesagentur für Arbeit und Eurostat führen kann. In der Schweiz besteht dieser Unterschied zwischen nationaler und europäischer Statistik nicht, da das Bundesamt für Statistik ebenfalls die ILO-Richtlinien anwendet.

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Von Wirtschaftsversteher

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