Menschen reagieren auf Anreize – das tönt eigentlich selbstverständlich, und dennoch muss man es sich immer wieder in Erinnerung rufen um wirtschaftliche Zusammenhänge zu verstehen. Noch wichtiger ist dieses Verständnis, wenn man diese Zusammenhänge „manipulieren“ möchte, unabhängig davon, ob man als Politiker Wirtschaftspolitik betreiben oder als Unternehmer Produkte und Dienstleistungen verkaufen will.
Im Kern sind wir alle Nutzenmaximierer
Zunächst ist es wichtig zu verstehen, dass die allermeisten Menschen im Kern doch Nutzenmaximierer (oder ganz einfach Egoisten) sind. Das mag nicht in allen Fällen offensichtlich sein, da wir nicht alle die gleiche „Nutzenfunktion“ haben, sprich: Wir brauchen nicht alle dasselbe um uns besser zu fühlen – uns macht nicht alle das gleiche glücklich. Ökonomen versuchen in der Regel, Nutzen in Geldeinheiten zu messen. Das hat durchaus seine Vorteile: Einerseits ist es relativ einfach, und andererseits kann man sich vieles mit Geld kaufen: Nebst Gütern und Dienstleistungen auch Dinge wie Freizeit oder „Erlebnisse“. Dennoch ergibt eine nur auf Geld basierende Nutzenmessung ein unvollständiges Bild. Anerkennung durch andere ist beispielsweise nur schwer käuflich. Ein gutes Hilfsmittel, um sich zu überlegen, was mit Geld gemessen werden kann und was eher nicht, ist die Maslowsche Bedürfnispyramide:
Grundbedürfnisse wie Nahrung, medizinische Versorgung, Unterkunft oder auch Versicherungen können (resp. müssen) mit Geld erworben werden. Weiter oben in der Pyramide ist Geld zwar Mittel zum Zweck, genügt aber nicht immer alleine um das Ziel zu erreichen. Wer „Nutzen“ mit „Geld“ gleichsetzt, liegt also bei den Grundbedürfnissen richtig, macht ansonsten aber gewissen Fehler. Diese werden in der Regel in Kauf genommen, da sie als nicht allzu gross eingeschätzt werden und die Alternative (richtig messen) mit sehr viel Aufwand verbunden oder gar nicht umsetzbar ist. Es existieren aber durchaus Ansätze, wie beispielsweise der World Happiness Report.
Dass wir unseren eigenen Nutzen maximieren bedeutet nicht, dass wir uns einfach über die Wünsche anderer hinwegsetzen. Denn auch Anerkennung durch andere erhöht unseren Nutzen. Daher werden die meisten von uns versuchen, unseren Willen durchzusetzen – aber nicht um jeden Preis.
Rationale Entscheidungen
Der Zweite wichtige Punkt betrifft den Umstand, dass wir in der Regel rationale Entscheidungen treffen. Auch dies ist nicht immer auf den ersten Blick erkennbar. Auch dies liegt an den unterschiedlichen Nutzenfunktionen der Menschen. Wenn jemand ein anderes Ziel hat, mag sein Handeln irrational erscheinen – dass liegt aber nur daran, dass man das Ziel nicht kennt. Natürlich treffen wir häufig auch intuitive Entscheidungen. Diese stellen die beste Alternative zu rationalen Entscheidungen dar, wenn nicht alle Fakten bekannt sind. Man trifft in diesem Fall implizit Annahmen zu den nicht bekannten Fakten. Die dritte Variante wäre eine zufällige Entscheidung, zu welcher wir greifen, wenn wir keine oder fast keine Fakten zur Verfügung haben und keine Annahmen treffen können.
Auch Herdentriebe können so gesehen durchaus rationale Entscheidungen sein. Wer ein Problem nicht selbst entscheiden kann, schliesst sich der grossen Masse an – in der Annahme, dass die schon wissen, was sie tun.
Implikationen für Unternehmer
Wie im Abschnitt Mikroökonomie gezeigt wird, nimmt der Grenznutzen eines Gutes in der Regel mit der Menge ab, die Grenzkosten hingegen zu. Wenn nun jemand seinen Nutzen maximieren will, wird er also nicht beliebige Mengen eines Gutes erwerben, da die Grenzkosten den Grenznutzen irgendwann übersteigen werden. Diese Grenze liegt häufig bereits bei null Einheiten. Als Unternehmer muss man also entweder das Gut (Ware oder Dienstleistung) günstiger anbieten (Achtung: Produktionskosten), oder dem Konsumenten das Gefühl vermitteln, dass das Gut für ihn einen höheren Grenznutzen hat. Dabei muss (und soll) nicht unbedingt ein messbarer Nutzen im Vordergrund stehen sondern eher ein „gefühlter Nutzen“. Es macht also durchaus Sinn, zu suggerieren, dass eine bestimmte Jeans nicht nur eine Hose, sondern ein Statussymbol sei. Oder dass ein bestimmtes Getränk nicht nur den Durst löscht sondern auch ein positive Lebensgefühl vermittelt. So kann sich der Käufer schliesslich der Anerkennung seiner Mitmenschen erfreuen oder positive Erlebnisse wieder in Erinnerung rufen.
Implikationen für die Politik
Wo immer die Politik versucht, die Aktionen der Bürger und Unternehmen zu lenken, muss sie sich bewusst sein, dass diese Bürger und Unternehmen rational handeln und ihren Nutzen optimieren werden. Dies kann man sich als Politiker zu Nutzen machen, man kann allerdings auch daran scheitern. Zu letzterem lassen sich etliche Beispiele aufzählen. Eines der bekannteren ist eine Gesetzesänderung in den USA, welche verhindern sollte, dass private Schuldner im Falle einer Privat-Insolvenz vor dem nichts stehen. Aus diesem Grund hat man etliche Gegenstände im Haushalt als nicht pfändbar erklärt. Diese Gegenstände (TV u.ä.) stehen einem Kreditgeber im Falle der Insolvenz des Schuldners also nicht zur Verwertung zur Verfügung. Die Idee dahinter war, die ärmsten Kreditnehmer vor den „bösen Banken“ zu schützen. Das Resultat war allerdings, dass die Banken viele potentielle Kreditnehmer aufgrund der nun fehlenden Sicherheiten nicht mehr als Kreditwürdig erachteten und gar keine Kredite mehr vergaben. Die Alternative dazu, nach einer Insolvenz vor dem Nichts zu stehen, war also nicht ein besserer Schutz der Kreditnehmer, sondern diese erhielten gar keinen Kredit mehr.
Ein anderes beliebtes Beispiel sind Mindestlöhne. Diese sind für Politiker sehr verlockend, da in der Regel eine grosse Menge an potentiellen Wählern profitiert und nur wenige darunter leiden – so weit die Idee. Nur gilt halt auch hier: Die Alternative zu einem schlecht bezahlten Job ist nicht unbedingt ein gut bezahlter Job. Es kann auch genauso gut gar kein Job sein. Und in diesem Fall ist dem vermeintlich unterbezahlten Arbeitnehmer natürlich in keinster Weise geholfen.
Besonders gefährlich ist, dass solche Entwicklungen in der Regel eine gewisse Zeit beanspruchen. Banken sammeln erst (schlechte) Erfahrungen mit neuen Insolvenzregeln, bevor sie die Kreditvergabe einschränken. Unternehmen beschäftigen auch teurere Mitarbeiter in guten Zeiten noch weiter – und streichen Jobs in schlechten Zeiten. Daher ist es wichtig, solchen Entwicklungen im politischen Prozess von Anfang an in die Planung einzubeziehen und deren Effekte langfristig zu messen.