Wirtschaftsindikatoren

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Wirtschaftsindikatoren dienen dazu, wirtschaftliche Entwicklungen zu entdecken, bevor sie sich in makroökonomischen Grössen wie BIP, Inflation oder Arbeitslosenrate niederschlagen. Sie dienen gewissermassen als Frühwarnsystem. Schön ist es natürlich, wenn dank Wirtschaftsindikatoren Prognosen der Wirtschaftsentwicklung möglich sind – in der Regel ist man aber schon ganz zufrieden, wenn man bestehende Entwicklungen etwas früher entdeckt.

Vorlaufend, gleichlaufend, nachlaufend

Wirtschaftsindikatoren werden häufig in „vorlaufende“, „gleichlaufende“ und „nachlaufende“ Indikatoren unterteilt. Lediglich vorlaufende Indikatoren taugen zu Prognose-Zwecken, da sie – wie der Name sagt – eine Entwicklung vorwegnehmen. Gleichlaufende Indikatoren können zwar nicht mehr verwendet werden, um die Wirtschaftsentwicklung vorherzusagen, allerdings werden sie in der Regel immer noch früher publiziert als beispielsweise BIP-Daten für die selbe Zeitperiode. Daher kann man mit ihnen immerhin das BIP etwas früher abschätzen, als es veröffentlicht wird. Nachlaufende Indikatoren haben zwar gar keinen prognostischen Nutzen mehr, können aber verwendet werden, um beobachtete Entwicklungen besser zu erklären. Daher haben auch Sie durchaus ihre Berechtigung.
Die meisten gebräuchlichen Indikatoren werden monatlich erhoben, kurzfristigere Änderungen sind somit nicht abgeifbar.

Andere Länder, andere Indikatoren

Die gebräuchlichsten Wirtschaftsindikatoren unterscheiden sich von Land zu Land. Grössere Banken und spezialisierte Anbieter von ökonomischen Beratungsdienstleistungen verwende eigene Indikatoren, welche nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werde. Einige Indikatoren sind jedoch mehr oder weniger global verbreitet. Die nachfolgenden Abschnitte zeigen exemplarisch einige der gebräuchlichsten Indikatoren und deren Erstellung auf (natürlich kann diese Auflistung keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben).

Einkaufsmanagerindices

Einkaufsmanagerindices (englisch Purchasing Managers Index, oder kurz PMI), stellen, wie der Name sagt, auf Informationen von Managern ab. Diese werden jedoch nicht einfach nach ihrer Meinung gefragt, sondern machen Angaben zu bestimmten Unternehmensdaten wie Bestellungseingang, Lagerbestand oder Lieferungen von Lieferanten. Entscheidend ist dabei nicht der absolute Wert der erhobenen Daten, sondern deren Veränderung gegenüber dem Vormonat – und auch davon nur das „Vorzeichen“, es gibt also „besser“, „gleich“ und schlechter. Um den PMI zu berechnen, addiert man nun zum Anteil „besser“, die Hälfte des Anteils „gleich“. Der Anteil „schlechter“ wird nicht betrachtet, respektive mit einem Gewicht von 0 addiert.

{PMI}=1*{Anteil_{"besser"}}+0.5*{Anteil_{"gleich"}}+0*{Anteil_{"schlechter"}}

Beispiel: 38% der befragen Unternehmen haben gemäss der Erhebung eine bessere Geschäftslage, als vor einem Monat, 30% eine gleich gute und 32% eine schlechtere.

{PMI}=1*38+0.5*30+0*32=53

Nun kann man es als komisch empfinden, dass der Anteil „schlechter“ gar nicht berücksichtigt wird. Dies ist jedoch nicht der Fall, da sich „besser“, „gleich“ und „schlechter“ auf 100% addieren müssen. Es gibt auch eine Berechnungsmethode, welche „besser“ und „schlechter“ verwendet und – auf den ersten Blick – „gleich“ ausblendet:

{PMI}=\frac{{Anteil_{"besser"}}-{Anteil_{"schlechter"}}}{2}+50

Obiges Beispiel ergibt dann das selbe Resultat:

{PMI}=\frac{38-32}{2}+50=53

Die PMI-Werte liegen stets zwischen 0 und 100, wobei Bereiche unter 40 und über 60 in der Praxis relativ selten vorkommen. 50 ist der neutrale wert, alles darüber zeigt Wirtschaftswachstum an, alles darunter eine Kontraktion.
Je nach Anbieter des PMI wird noch eine saisonale Korrektur vorgenommen, diese hat allerdings nur begrenzte Auswirkungen auf das Resultat.

In der Regel werden drei PMI-Indices angegeben: Einer für das verarbeitende Gewerbe (manufacturing), einer für den Dienstleistungssektor (services) und ein Gesamtindex. Daneben existieren je nach Anbieter noch weitere Indices und Subindices. Meistens werden die „manufacturing“-Indices als aussagekräftiger betrachtet, als die „services“-Indices. Zwar macth die Industrie in den entwickelten Volkswirtschaften einen wesentlich kleineren anteil der Gesamtwirtschaftsleistung aus, als der Dienstleistungssektor, jedoch sind die Daten aus letzterem sehr schwankungsanfällig und daher für Prognosen weniger geeignet.

Die wichtigsten Anbieter von PMI-Indices sind procure.ch in Zusammenarbeit mit CREDIT SUISSE für die Schweiz, Markit für diverse Länder weltweit und ISM (Institute for Supply Management) für die USA.

Konsumentenstimmung

Der Private Konsum mach in den entwickelten Volkswirtschaften rund 60% (in den USA fast 70%) des BIP aus. Entsprechend wichtig ist es zu wissen, wie „kauffreudig“ die Konsumenten sind. Leider lässt sich dies nicht so faktenbasiert erheben, wie die Einkaufsmanagerindices. Stattdessen versucht man die Stimmung der Konsumenten zu erfragen. Dazu dienen beispielsweise Fragen nach der Sicherheit des Arbeitsplatzes oder für wie gut der aktuelle Zeitpunkt für eine grössere Anschaffung gehalten wird. Auch hier zählt die Veränderung zur letzten Umfrage. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO), welches solche Befragungen in der Schweiz durchführt, hat diesen Artikel zur Berechnungsmethode und weiteren Themen veröffentlicht. Hier wird also eine Skala von -2 bis +2 verwendet, um die Stimmung der Konsumenten zu erfassen (viel schlechter, schlechter, gleich, besser, viel besser). Der Indexwert liegt zwischen -200 und +200, wobei der neutrale Wert 0 ist und Werte unter -30 und über +30 eher selten sind.

Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK), welche unter anderem  das Konsumklima für Deutschland berechnet, verwendet ähnliche Ausgangsdaten (ebenfalls eine Skala von -2 bis +2). Allerdings stellt sie dann leicht andere Berechnungen an, sodass die Werte zwischen -100 und +100 zu liegen kommen und der langjährige Durchschnitt bei 0 liegt. Da die deutsche Wirtschaft im Durchschnitt der vergangenen Jahrzehnte gewachsen ist, bedeutet die 0 hier also nicht kein Wachstum, sondern so etwas wie ein „Normalwachstum“. Die Wachstumsschwelle liegt dementsprechend leicht unter 0. Die historischen Werte lagen in der Regel zwischen -60 und +60.

Für die USA berechnet das Conference Board die Consumer Confidence Survey. Hier liegt der Erhebung eine dreistufige Skala zugrunde (positive, neutral, negative) und die Indexberechnung erfolgt in Realtion zum Basisjahr 1985, für welches der Wert 100 festgelegt wurde. Dabei werden die Werte saisonbereinigt. Entsprechend wird also auch hier nicht eine Wachstumsschwelle festgelegt, sondern das Jahr 1985 sozusagen zum „Standardjahr“ gemacht, mit welchem alle folgenden Werte verglichen werden. Das Conference Board hat eine Technical Note (auf englisch) veröffentlicht, in welcher die Vorgehensweise beschrieben wird.

Geschäftsklima

Für den Euroraum und für Deutschland publiziert das Münchener ifo-Institut den sogenannten Geschäftsklimaindex. Hierzu werden Unternehmen aus den Bereichen Grosshandel, Einzelhandel, Bau und Industrie zu ihrer Einschätzung der Wirtschaftslage befragt. Im Gegensatz zum Einkaufsmanagerindex wird hier nicht anhand von Kennzahlen exakt gemessen, sondern es wird die Stimmung der Unternehmer erfragt. Diese besteht in diesem Fall aus zwei Komponenten: Gegenwart und Zukunft. Die Unternehmen sollen einerseits die aktuelle Lage als „gut“, „befriedigend“ oder „schlecht“ beurteilen und die Zukunftsaussichten für die kommenden sechs Monate als „günstiger“, „gleichbleibend“ oder „ungünstiger“. Daraus werden dann zwei Teilindices berechnet: Einer für die aktuelle Lage und einer für die Zukunftsaussichten. Die Berechnung funktioniert dabei wie bei der Konsumentenstimmung: Von den positiven Antworten (Prozentwert) werden die negativen (ebenfalls Prozentwert) abgezogen; die neutralen werden sozusagen ignoriert. Der Wertebereich liegt also je zwischen -100 und +100, mit dem neutralen Wert 0. Aus diesen beiden Teilindices wird dann mittels folgender Formel der sogenannte „Geschäftsklima-Saldo“ berechnet:

{Saldo}=\sqrt{(Lage+200)*(Zukunftserwartungen+200)}-200

Wertebereich (-100 bis +100) und neutraler Wert (0) bleiben dabei unverändert. Allerdings ist festzuhalten, dass es sich hier nicht um einen einfachen arithmetischen Mittelwert handelt. Liegt beispielsweise einer der Teilindices bei -20 und der andere bei +20, so ergibt der Geschäftsklima-Saldo nicht 0, sondern -1. Mit dieser Berechnungsmethode wird sozusagen „bestraft“, wenn die beiden Teilindices weit auseinander liegen. Das (in der Realität komplett unrealistische) Extrembeispiel mit Teilindices von -100 und +100 ergibt einen Geschäftsklima-Saldo von -26.8.

Um aus dem Geschäftsklima-Saldo den Geschäftsklima-Index zu berechnen, kommt schliesslich folgende Formel zum Zug:

{Index}=\frac{Saldo_{Berichtsmonat}+200}{Durschnittssaldo_{Basisjahr}+200}*100

Das Basisjahr ist momentan das Jahr 2005. Durch diese Berechnungsmethode ergibt sich ein Index-Wert von 100, wenn der aktuelle Stand des Geschäftsklimas jenem des Jahres 2005 entspricht. Auch hier entspricht ein Wert von 100 also nicht einem Null-Wachstum.

Das der Index-Wert schliesslich auch noch saisonal adjustiert wird, darf man sicher sagen, dass die Berechnungen zur Ermittlung des ifo-Geschäftsklima-Index zu den komplizierteren gehören. Obwohl sie alle ökonomisch Sinn machen, bleibt natürlich die Frage offen, ob sich aus solch komplex berechneten Indikatoren bessere Prognosen ableiten lassen, als aus einfacheren. Es ist auch klar, dass Geschäftsklimaindices von anderen Anbietern (beispielsweise EY für die Schweiz) in der Berechnungsmethode substantiell vom hier gezeigten Beispiel abweichen können.

Industrieproduktion

Während die oben stehenden Indikatoren vorlaufenden Charakter haben, ist die Industrieproduktion ein nachlaufender Indikator. Gelegentlich wird er auch als gleichlaufend bezeichnet, da er wesentlich zeitnäher veröffentlicht wird, als beispielsweise BIP-Zahlen. Es ist aber nicht zu vergessen, dass Daten zur Industrieproduktion bestenfalls kurz nach Ende des Monats, welchen sie betreffen, veröffentlicht werden.

Wie der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe bezieht sich auch die Industrieproduktion in den entwickelten Ländern nur noch auf einen relativ keinen Teil der Wirtschaftsleistung. Dennoch handelt es sich um einen vielbeachteten Indikator, da er relativ wenig „Fehlsignale“ beinhaltet. Normalerweise wird er saisonal adjustiert, da gewisse Industriezweige stärkeren saisonalen Produktionsschwankungen unterworfen sind. Angegeben wird in der Regel die prozentuale Veränderung zum Vormonat – wird die Veränderung zum Vorjahresmonat verwendet, erübrigt sich die saisonale Adjustierung natürlich.

Daten zur Industrieproduktion werden für die Schweiz vom Bundesamt für Statistik veröffentlicht, für Europa von Eurostat und für die USA von der FED.

Einzelhandelsumsatz

Ähnlich zeitnah wie die Daten zur Industrieproduktion sind meist auch Daten zu den Einzelhandelsumsätzen verfügbar. Wie Konsumentenstimmung und Einkaufsmanagerindices ergänzen sich auch Daten zur Industrieproduktion und Einzelhandelsumsätzen. Mit den Einzelhandelsumsätzen wird auch hier der grösste Teil des BIP, nämlich der private Konsum, betrachtet – allerdings nur teilweise: Dienstleistungen fehlen. Diese sind schwieriger zu erheben und schwankungsanfälliger.

Wie die Industrieproduktion wird auch der Einzelhandelsumsatz als prozentuale Veränderung zum Vormonat respektive Vorjahresmonat angegeben. Nebst der Saisonalen Adjustierung wird gelegentlich auch eine Korrektur für die Anzahl der Arbeitstage in einem Monat vorgenommen. Mit liberaleren Ladenöffnungszeiten dürfte sich dies mit der Zeit erübrigen.

Daten zum Einzelhandelsumsatz werden für die Schweiz vom Bundesamt für Statistik veröffentlicht, für Europa von Eurostat und für die USA vom United States Census Bureau.

Weitere Indikatoren

Diese Liste liesse sich (fast) beliebig erweitern. Gebräuchliche Indikatoren sind unter anderem:

  • Gebraucht- und Neuwagenverkäufe
  • Ausrüstungsinvestitionen
  • Investorenklima
  • Entwicklung von Exporten und Importen
  • Entwicklung von Direkt- und Portfolio-Investitionen
  • und viele mehr

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Wirtschaftsversteher

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