Inflation ist wie Ketchup

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Inflation ist wie Ketchup – erst kommt lange nichts und dann mehr, als man wollte. Woran liegt das und was kann man dagegen tun?Notenbanken – und teilweise auch Regierungen – versuchen weltweit, die Inflationsraten zu steuern. Häufig werden heutzutage Inflationsziele oder Zielbänder angegeben. Recht selten werden sie erreicht. Dabei ist es aus volkswirtschaftlicher Sicht unangenehm wenn die Inflationsraten zu hoch sind – genauso wie wenn sie zu tief oder gar im negativen Bereich liegen. Die Mittel zur Steuerung der Inflation sind an sich bekannt: Der Notenbank-Zinssatz wird als effektiv erachtet, auch staatliche Konjunkturprogramme und die Steuerpolitik können steuernd auf die Inflation wirken.

Warum ist es dann so schwierig?

Wenn das Problem und die Mittel zu dessen Bekämpfung bekannt sind, wieso ist es dann trotzdem so schwierig, die Inflationsraten in die gewünschten Bahnen zu lenken? Dafür gibt es mehrere Gründe:

  • Neben den genannten Steuerungsmechanismen gibt es weitere wichtige Faktoren, welche die Inflationsraten beeinflussen. Rohstoffpreise und Währungskurse spielen hier die Wichtigsten Rollen. Regierungen und Notenbanken in den Industrieländern haben keinen Einfluss auf die Rohstoffpreise. Deren wichtigster Vertreter in diesem Zusammenhang ist der Öl-Preis. Da Erdöl als Energie in praktisch jedem Gegenstand steckt (zumindest für den Transport vom Produzenten zum Konsumenten) und auch in fast jeder Dienstleistung, ist sein Einfluss auf die Inflation gross.
    Währungskurse spielen vor allem bei importierten Gütern eine wichtige Rolle. Sinkt der Kurs der eigenen Währung, werden Importe teurer – steigt er, so werden sie günstiger. Auch der Wechselkurs lässt sich von Notenbanken und Regierungen nur bedingt steuern.
  • Oft sind die Aktionen von Notenbank und Regierung nicht koordiniert. Dies ist auch gut so, da sonst die Unabhängigkeit der Notenbank nicht gewährleistet wäre und die Gefahr bestünde, dass die Geldpolitik zu politischen Zwecken missbrauch wird. Oft bestehen – zumindest in der kurzen Frist – auch Interessenkonflikte zwischen Notenbank und Regierung: Denn beispielsweise die Senkung einer zu hohen Inflationsrate ist nicht gratis zu haben. Häufig geht mit der Senkung der Inflationsrate in einem solchen Fall eine Erhöhung der Arbeitslosenrate einher. Dieser Zusammenhang wird durch die sogenannte Phillips-Kurve (benannt nach Alban William Housego Phillips veranschaulicht. Da die Inflation zu Phillips‘ Zeiten fast ausschliesslich durch die Lohnentwicklung beeinflusst wurde, hat er direkt letztere Verwendet, um den Zusammenhang darzustellen. Heute üblich ist der Zusammenhang Inflation-Arbeitslosigkeit:

    Phillips-Kurve
    Phillips-Kurve
  • Der wichtigste Grund, wieso sich Inflation nur schwer und nur mit Verzögerung steuern lässt (daher der Ausdruck „Inflation ist wie Ketchup“) ist jedoch, dass die Effekte einer veränderten Geldpolitik erst mit einer Verzögerung von bis zu 3 Jahren (im aktuellen Umfeld vielleicht sogar noch mehr) eintreten. Dies ist dem sogenannten Transmissionsmechanismus geschuldet. Er beschreibt, wie eine Veränderung der Geldpolitik auf das Zinsniveau, die Kreditvergabe und die Volkswirtschaft als Ganzes wirkt.

Der Transmissionsmechanismus

Der Weg, auf welchem Notenbanken die Inflation beeinflussen wollen ist ein komplexer. In „normalen Zeiten“ setzen sie die Leitzinsen fest, zu welchen lediglich die Geschäftsbanken Geld ausleihen oder anlegen können. Diese wiederum setzen abhängig davon ihre Kredit- und Sparzinsen fest. Dabei sind sie in der Ausgestaltung frei und – abgesehen von ihrem Bestreben, Gewinne zu erzielen – nicht gezwungen, Änderungen der Zinspolitik der Notenbank zeitnah und im gleichen Ausmass nachzuvollziehen. Geänderte Zinssätze der Geschäftsbanken für Sparer und Borger sorgen dann dafür, dass diese ihr Konsum- und Investitions-Verhalten anpassen.

Bsp.: Wenn die Inflation zu hoch ist, wird die Notenbank die Zinsen anheben. Über die Zeit werden auch die Geschäftsbanken die Zinssätze anheben – sowohl für Einlagen, als auch für Ausleihungen. Dies führt bei den Sparern dazu, dass sie einen höheren Zins erhalten. Es lohnt sich also, zu sparen, und somit gegenwärtig weniger zu konsumieren. Die Borger hingegen müssen mehr für Ausleihungen bezahlen. Es wird für sie also weniger attraktiv, sich Geld auszuleihen und damit Konsum oder Investitionen zu tätigen. In der Summe wird also weniger konsumiert und weniger Investiert, was über die Zeit (bei gleichbleibendem Angebot) zu fallenden (oder zumindest langsamer steigenden) Preisen führen wird. Die Inflation ist also bekämpft.

In der Regel dauert es schon Quartale, bis sich auf diesem Weg erste Resultate der Geldpolitik zeigen und Jahre bis sie vollständig wirkt. Da ist die Gefahr gross, dass die Notenbank ungeduldig wird, und weitere Massnahmen ergreift – im obigen Beispiel also die Zinsen weiter anhebt. Im Falle einer zu niedrigen Inflation wird sie dementsprechend die Zinsen weiter Senken (oder zum Mittel des Quantitative Easing / der quantitativen Lockerung greifen). Wenn sie dabei zu forsch vorgeht, wird die Wirkung zwar zunächst dennoch auf sich warten lassen. Dann wird sie aber umso stärker eintreten – vermutlich stärker als gewollt. Entsprechend dem Effekt, welchen wir von Ketchup-Flaschen kennen: erst kommt nichts, und dann mehr als man wollte.

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Von Wirtschaftsversteher

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